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Für Sie gelesen: „Die Summe des Ganzen“ von Steven Uhly

von 6. Juni 2023Bibliothek

Padre Roque de Guzmán scheint ein wenig gelangweilt von den Beichten in seiner Gemeinde. Ab und an kommt gar keiner und die meisten seiner Sünder sind Wiederholungstäter: Ein Fernfahrer, der seine Frau betrügt, ein prügelnder Ehemann, eine einsame, frustrierte Witwe. Eines Montags erscheint ein gehetzter junger, unbekannter Mann. Es fällt ihm schwer, über seine Sünde zu reden. Er redet, flieht aus dem Beichtstuhl, kommt einige Tage später wieder. Er braucht mehrere Anläufe, dann kommt man dem Kern seiner Verfehlung näher: Er begehrt seinen 10-jährigen Nachhilfeschüler. Versucht der Padre zunächst den zukünftigen Sünder von seinem Vorhaben abzubringen, verliert er mehr und mehr seine Souveränität, nicht nur im Beichtstuhl. Es wird klar, dass der Padre sich in einer ähnlichen Versuchungssituation befindet, der er immer wieder aufs Neue zu widerstehen versucht. Beide Männer sind sehr gläubig und es entfacht eine theologische Debatte über Schuld und Vergebung. Beide wirken bibelfest. Beide leiden. Beide sind sich des Ausmasses Ihres Verlangens bewusst. Die verzweifelten Gewissensbisse sind sehr authentisch beschrieben.  Der Roman ist spannend wie ein Thriller. Das Ende überrascht und gibt Material zum Nachdenken. Ich habe das Buch fast in einem Rutsch, mit angehaltenem Atem gelesen und dabei einen ganzen Strauss an Emotionen durchlebt. Trotz oder gerade wegen des schwierigen Themas eine Leseempfehlung, wenn auch vielleicht nicht für einen entspannten Nachmittag in der Badi.