Innert weniger Wochen wirbelte eine Sturmserie durch die Schweiz. Lolita, Petra und Sabine rüttelten das Land ganz schön durch und hinterliessen in Teilen der Schweiz grosse Schäden. Wie ist die Rechtslage, wenn ein umstürzender Baum das Nachbarhaus beschädigt?
Wann ist ein Baum ein Werk?
Es muss unterschieden werden, ob es sich um einen natürlich gewachsenen Baum handelt oder nicht. Natürlich gewachsene Bäume und Waldbäume stellen grundsätzlich kein Werk im gesetzlichen Sinne dar und stehen im Eigentum des Grundeigentümers. Ein Baum kann aber durch die Art seiner Anpflanzung oder infolge künstlicher Veränderung (Zurückschneiden der Äste, Integration in die Gartengestaltung oder spezielle Anordnung in öffentlichen Parks) zu einem kombinierten Werkteil werden. Wurde ein Baum vom Eigentümer oder dessen Vorgängern auf seinem Grundstück gepflanzt, so gilt der Baum in den meisten Fällen als Werk im Sinne von Art. 58 OR.
Baum aus dem Garten fällt bei Sturm aufs Nachbarhaus
Bei einem Baum, der Teil der Gartengestaltung ist und vom Eigentümer gepflegt wird, wird die Werkeigenschaft grundsätzlich bejaht. Dieser Umstand führt aber nicht automatisch zur Haftbarkeit des Baumeigentümers für allfällige Schäden. Zur Verantwortung gezogen wird der Eigentümer nur dann, wenn die Anpflanzung fehlerhaft erfolgte oder ihm mangelhafter Unterhalt vorgeworfen werden kann. Wäre es mittels Augenschein einfach feststellbar gewesen, dass der Baum abgestorben oder krank war, oder hat es der Eigentümer sogar gewusst und nichts unternommen, so hat er für die Schäden aufzukommen. War äusserlich nichts feststellbar und musste nicht mit einem Umstürzen des Baumes gerechnet werden, so wird die Haftung des Eigentümers verneint. In diesem Fall ist der Schaden Folge der Naturgefahr Sturm, für welche der Eigentümer keine Haftung trifft, da das schadenverursachende Ereignis ausserhalb seines Machtbereiches liegt. In diesem Fall müsste die Gebäudeversicherung des Geschädigten für den Elementarschaden aufkommen.
Umgestürzter Waldbaum
Stürzt ein Baum aus einem Wald auf das Nachbargrundstück, sieht die Sachlage ähnlich aus. Das blosse Belassen eines Naturzustandes (Wald) allein führt zu keiner Verantwortlichkeit aus Grundeigentümerhaftpflicht. Das Mass der Sorgfalt, die der Eigentümer einhalten muss, hängt von der Lage des Waldes und den örtlichen Verhältnissen ab (Nähe Wohngebiet, Strasse). Ist aufgrund der konkreten Situation mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Schaden an Mensch oder Sachwerten zu befürchten, weil zum Bespiel ein Baumstamm fault oder ein Baum bereits in Schieflage steht, muss der Waldeigentümer handeln und die Gefahr beseitigen, um nicht haftpflichtig zu werden.
Paul Gähler, Sicherheitsvorstand / Quelle: HEV Schweiz